Ein neuer Lebensabschnitt steht bevor: mein Kleiner kommt in die Kita. Für ihn viel Neues, für Mama und Papa ein Schritt zurück in alte Gewohnheiten und für uns alle eine Umstellung.
Ich freue mich auf den wieder gewonnenen Freiraum. Die vergangenen Wochen waren anstrengend. Junior ist älter und fordernder. Er hat keine Lust, sich längere Zeit selbst in seinem Laufstall zu beschäftigen. Das machte es zunehmend schwierig, allem gerecht zu werden: meiner Familie, meinem Beruf und mir selbst. Jetzt kann ich morgens in Ruhe meine Arbeit erledigen. Angenehmer Nebeneffekt: danach habe ich richtig viel Zeit für mein Kind. Deshalb bin ich wild entschlossen, alles in meiner Macht stehende zu tun, dass Söhnchen wirklich gerne in den Kindergarten geht. Und es ist ja nicht lange: Von 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr ist geplant.
Im vergangenen Jahr hatten wir mit der Elterngruppe den Kindergarten besichtigt. Daher weiß ich, was mich erwartet und habe direkt Windeln und die gewünschten Wechselklamotten dabei. Um’s Essen brauche ich mich nicht kümmern: In Schweden bekommen die Kinder schon seit Jahrzehnten warme Mahlzeiten. Bei uns gibt es um 8:00 Uhr Frühstück, gegen 10:00 Uhr einen kleinen Snack (fruktstund), um 11:30 Uhr Mittagessen und gegen 14:30 Uhr noch ein mellanmål. Praktischerweise gehört der Kindergarten zu einem ganzen Schulkomplex mit Speisesaal, deren Küche den Kindergarten mitversorgt. Lange Warmhaltezeiten bleiben also aus; die dampfenden Töpfe brauchen nur über den Hof geschoben zu werden. Ich bin gespannt, wie’s schmeckt: als Mama bin ich während der inskolning zum Mitessen eingeladen.
Tag 1: Schritte zur Selbstständigkeit:
Der erste Tag. Spannend, ich freue mich. Wir kommen zackig aus dem Bett und pünktlich aus dem Haus. Söhnchen ist etwas verschlafen und entsprechend kuschelig, aber die Laune ist stabil. Die Kindergärtnerinnen sind toll. Trotzdem ist er noch verhalten. Aber die anderen Kinder interessieren ihn. Und natürlich das Spielzeug.
Es ist noch keine 10 Uhr, als Söhnchen seelenruhig durch die ganze Küche tapst. Ich schüttele schmunzelnd den Kopf, die Kindergärtnerinnen schauen mich verständnislos an: Wie, macht er das Zuhause nicht? Nein, dort ließ er sich bislang nach drei Schritten auf die Knie fallen und legte den Rest der Strecke krabbelnd zurück. Aber im Kindergarten herrscht Wettbewerbsdruck: wer zuerst am Spielzeug ist, gewinnt. Der Erste kann sich als Superman verkleiden, während der Zweite mit dem rosa Prinzessinen-Kostüm vorlieb nehmen muss. Und da sind ihm Kinder, die schon laufen, einfach einen Schritt voraus. Da kann es nicht schaden, mit alten Gewohnheiten zu brechen und neue Strategien zu entwickeln.
Ab 11 Uhr baut Söhnchen mächtig ab. Jetzt macht sich das frühe Aufstehen bemerkbar: Er reibt sich die Äugelein und wird zusehens nörgelig. Das Mittagessen versöhnt ihn noch einen Moment. Mich übrigens auch: Ich bin hungrig. Außerdem ist das Essen wirklich lecker: es gibt Fisch mit Kartoffeln und Gemüse. Die Ökotrophologin in mir ist glücklich. Aber danach sehen wir zu, dass wir schnell nach Hause kommen.
Tag 2: Bei Regen draußen:
Highlight des zweiten Tages: Wir gehen mit der ganzen Gruppe nach draußen. Die größeren Kinder haben viel Spaß und in kürzester Zeit Fahrräder, Dreiräder und Sandspielzeug aus dem Schuppen gezerrt und über dem Hof verteilt. Söhnchen kann dem fröhlichen Treiben nicht viel abgewinnen. Hätten wir Sommer und könnten in kurzen Klamotten krabbeln, sähe das anders aus. Aber es ist Januar und es regnet. Er kann sich in seinem dicken Schneeanzug kaum bewegen und steht steif in der Gegend herum. In den Gummistiefeln kriegt er keinen Fuß voreinander. Die Handschuhe sind zu groß. Er dürfte darin so viel Feingefühl wie in Boxhandschuhen haben. Also lassen wir’s gut sein und gehen schon wieder ins Gebäude, wo wir uns in Ruhe die Spielküche anschauen und auf’s Mittagessen warten. Es gibt Hühnchen Teriyaki. Ich überlege, ob es unhöflich rüberkommt, wenn ich mich jeden Tag zum Mittagessen einlade.
Tag 3: Ein langer Mittagsschlaf:
Heute wollen wir testen, ob auch ein Mittagsschlaf gelingt. Das wäre angenehm, wenn wir beispielsweise am Nachmittag weiter nach Tingsryd zum Babyschwimmen wollen. Es würde ihm das Hin- und Herfahren ersparen. Also lege ich mich mit ihm nach dem Mittagessen – es gab übrigens Tacos, lecker! – mit in den Schlafraum. Ein paar Minuten braucht er, um anzukommen. Doch plötzlich klappen die Äuglein zu. Jetzt schnell weg, wir wollen testen, wie er reagiert, wenn er beim Aufwachen andere um sich rum hat. Die Frage bleibt unbeantwortet. Als ich um 14 Uhr zurückkomme, schläft er immer noch tief und fest.
Tag 4: Erstmals ohne Mama:
Generalprobe: Zwei Stunden soll Söhnchen heute ohne mich im Kindergarten bleiben. Ich drücke ihm zum Abschied einen dicken Kuss auf die Wange, wünsche ihm einen ganz tollen Vormittag und reiche ihn dann der Kindergärtnerin auf den Arm. Er schaut mich völlig irritiert an und setzt zu einem empörten Schluchzen an. Jetzt muss ich gehen, sonst wird das heute nix. Trotzdem überwiegt das lachende Auge; ich habe viel zu tun und direkt für 10 Uhr eine Telko angesetzt. Also drehe ich mich um und rausche aus der Tür. Noch bevor sie hinter mir ins Schloss fällt, ist Ruhe. Aber ich darf mich gerne später erkundigen, wie es läuft.
Die Antwort kommt als MMS: Söhnchen auf dem Schoß der lachenden Kindergärtnerin. Trotz der Banane vor ihm ist sein Blick skeptisch – er traut der Sache nicht. Und er hat den Schnulli im Mund. Ein Indiz, dass er Trost brauchte. Eine Stunde später kommt noch ein Bild: Ein dick eingemummeltes Söhnchen mit einem Büchlein auf den Knien. Die Gruppe hat einen Ausflug in die Bibliothek gemacht.
Um 12 Uhr hole ich ihn ab. Seine Gruppe ist noch draußen. Die Kindergärtnerin hat ihn auf dem Arm, während die anderen Kinder spielen. Plötzlich sieht er mich – und dann bricht seine mühsam aufrecht erhaltene Beherrschung in sich zusammen. Er streckt die Ärmchen aus, hüpft mir förmlich entgegen und klammert sich an mich wie ein kleines Äffchen. Er schluchzt ein paar Mal, fängt sich dann aber wieder. Die Kindergärtnerin wird ignoriert. Auch auf dem Weg zum Auto will er nicht vom Arm. Aber das ist alles nichts, was sich nicht mit viel Schmusen, gutem Essen und Schlaf wieder richten lässt. Zuhause verdrückt er eine Monsterportion Hühnerfrikasse und pennt drei Stunden. Und dann ist die Welt wieder in Ordnung. Wochenende!
Die Kindergärtnerinnen sind glücklich und auch ich werte die inskolning als Etappensieg. Am Ziel sind wir noch nicht. Bis er morgens lachend zu den anderen Kindern läuft, wird es noch ein Weilchen dauern. Der Abschied fällt ihm schwer. Ich bin daher vor allem auf die kommende Woche gespannt. Wenn er weiß, was ihn erwartet.
Aber ich bin schon jetzt beeindruckt, wieviel er dort von den anderen Kindern mitnimmt. Nach nur vier Tagen im Kindergarten läuft er und lehnt seinen Magic Cup ab – jetzt will er aus der Tasse trinken, wie die großen Jungs. Und ich freue mich schon jetzt darauf, wenn er beginnt, uns von seinem Tag zu erzählen: was er gemacht hat, was es zu essen gab und wer seine neuen Freunde sind.
Seinen Spitznamen hat er auf jeden Fall schon weg: „den kleinen Ingenieur“ nennen sie ihn. Weil er mit so viel Freude alles genau untersucht. Er ist so toll. Und plötzlich schon ein richtig großer Junge. Schnieeef!
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