Astrid-Lindgren-Fans haben den Titel meines Blog verstanden. „Neues von uns Deutschen aus Schweden“ ist natürlich eine Anspielung auf die Kinder von Bullerbü. Auf den zweiten Teil des Kinderbuchs, um genau zu sein. Ein tolles Buch.
Habe ich zumindest gehört. Ich, Jahrgang 1977 und eine der beiden drei Deutschen in Schweden, um die es hier geht, habe es nie gelesen. Ich war kein Astrid-Lindgren-Fan. Mir waren ihre Bücher über fröhliche Kinder in einer heilen Welt suspekt. Ich war schon als Kind der realistische Typ. Der, der die Schultüte mit blauem Pferd doof fand, weil es nun mal keine blauen Pferde gibt.
Was nicht heißt, dass ich nicht kreativ war. Ich habe Kleider für meine Barbies gehäkelt, Radiomoderator gespielt und Geschichten geschrieben (kindgerecht: Pferdeliebe. Legendär: Wie kaue ich ohne Unterkiefer? Goofy hatte mich dazu inspiriert.). Und unglaublich gerne gezeichnet.
Später habe ich mir eine Nähmaschine angeschafft und alte Dinge aufgehübscht, bevor man das Upcycling nannte. Habe Ernährungswissenschaften studiert und mit Freude gekocht, als das noch nicht trendy war, sondern als altmodisch und verstaubt galt und ich dafür belächelt wurde. Mochte Flohmärkte und habe abgelegte Kleidung weiterverkauft, als das noch Geiz hieß und nicht nachhaltiger Konsum. Bin für den neuen Job in Lauf- bzw. Radelnähe gezogen, bevor Krankenkassen so etwas mit Prämien förderten. Habe Spaziergänge im Wald geliebt, bevor daraus Forest Bathing wurde. Und konnte mich schon damals nächtelang in Computerspiele vertiefen, als die Bälle auf den Röhrenmonitoren noch eckig waren. Weil ich aber niemals auf die Idee gekommen wäre, dass sich daraus mal richtige Bewegungen entwickeln könnten, bin ich eins ganz sicher nicht: ein Trendsetter. Und so wichtig sind meine Interessen ja nun auch nicht.
In Schweden kennt man diese Art. Der dänisch-norwegische Schriftsteller Aksel Sandemose hat sie 1933 in seinem Roman En flyktning krysser sitt spor beschrieben. Zehn Gebote sind darin formuliert, die im gesamten skandinavischen Raum noch heute unter dem Begriff Jantelagen bekannt sind. Eins davon:
Vielleicht ist das Jantelag der Grund, warum ich mich den Schweden wesensnäher fühle als den Deutschen. Das Gesetz von Jante, einer fiktiven Stadt des Buches, ist nämlich tief in der schwedischen Mentalität und Kultur verwurzelt. Protzen und angeben – zuviel auf sich selbst geben – ist hierzulande vielfach verpönt. Was nicht heißt, dass es nicht auch in Schweden Menschen gibt, die besser verdienen und größere Autos fahren. Aber das wird nicht zur Schau gestellt und deshalb auch nicht naserümpfend beäugt. Diese Devise zeigt sich beispielsweise im schlichten Design, wo Einfachheit dominiert. Auch in schwedischen Bewerbungsgesprächen wird tief gestapelt. Selbstdarsteller kommen unsympathisch rüber. Understatement ist angesagt.
Meine deutschen Chefs haben es irgendwann aufgegeben. Unzählige Rhetorik-Workshops konnten aus mir keinen laut tönenden Bühnenmenschen machen. Ich war die, die sich in den Kaffeepausen von Branchenveranstaltungen lieber in den Park verkrümelt hat, weil ich bei „mein Haus, mein Auto, mein Boot“ nicht mitspielen wollte. Ich war die, die nie zu Wort kommt, weil sie verzweifelt auf eine Redepause wartet. Ich bin die im Hintergrund. Und deshalb passe ich ganz gut hierher.
Endlich angekommen.
Zuhause.