Last Updated on 27. August 2023 by Inka
Wer in Schweden angestellt ist, könnte bei seinem ersten Urlaub in einer neuer Firma enttäuscht sein: Während man in Deutschland sein übliches Gehalt bekommt und vielleicht sogar noch ein Urlaubsgeld on-top obendrauf, bleibt hierzulande das Konto möglicherweise leer. Laut semesterlagen muss man sich den bezahlten Urlaub nämlich erst verdienen.
Ich weiß noch, wie mich Kivra damals über meine Gehaltsabrechnung informierte. Ich loggte mich ein, lud das pdf-Dokument runter und dachte: Hä? So wenig? Wo ist mein Gehalt? Nun ist es in Deutschland ja so, dass selbst diejenigen, die von ihrem Arbeitgeber kein Urlaubsgeld ausbezahlt bekommen, während des Urlaubs immer noch ihr normales Gehalt erhalten (Urlaubsentgeld). In Schweden nicht. Meine Verwunderung, als ich meine Gehaltsabrechung anschaute, rührte nämlich daher, dass mir in meinem Urlaub überhaupt kein Gehalt ausbezahlt wurde.
Um das zu verstehen, müsst Ihr zwei Dinge wissen: dass a) mein Ausflug in das schwedische Angestelltenverhältnis eigentlich nur als Sommerjob gedacht war, in dem ursprünglich gar kein Urlaub vorgesehen war. Und, dass b) schwedische Arbeitsverträge kurz sind. Alles, was ohnehin bereits gesetzlich geregelt ist, wird dort nicht nochmal extra erwähnt. Denn die Schweden haben im semesterlag, dem Urlaubsgesetz, alles definiert, was irgendwie mit Urlaub zu tun hat: den Urlaubsanspruch und das Urlaubsgeld zum Beispiel. Und demnach muss man sich seinen Anspruch auf bezahlten Urlaub erst verdienen.
Und das ist so:
Semesterlön ist nicht das Urlaubsgeld
Als Erstes müsst Ihr den Begriff semesterlön verstehen: wörtlich übersetzt heißt er zwar „Urlaubsgeld“, meint aber auf Schwedisch etwas anderes: es ist die Summe aus dem normalen monatlichen Urlaubsentgeld plus einem kleinen Zuschlag, der die höheren Lebenshaltungskosten während des Urlaubs abpuffern soll:
semesterlön = vanliga månadslön (Urlaubsentgeld) med ett extra lönetillägg (som kallas semestertillägg)
Berechnungsgrundlage ist der Zeitraum vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres. An diesem Zeitraum orientieren sich die 25 Urlaubstage der Schweden und ihr semesterlön.
Urlaub ist gesetzlich geregelt
Noch zwei Wörter sind in dem Zusammenhang sehr wichtig:
Intjänandeår und semesterår
Intjänandeår (tjäna = verdienen) bedeutet so viel wie: „Jahr, in dem man sich seinen bezahlen Urlaub verdient“. Semesterår ist das Urlaubsjahr. Auch für diese beiden Zeiträume hat das Gesetz den Zeitraum vom 1. April bis 31. März des Folgejahres definiert, wobei sich das semesterår an das intjänandeår anschließt.
Das heißt: Der erste Zeitraum vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres bei einem Arbeitgeber ist das intjänandeår, in dem man in Vorleistung geht und sich seinen semesterlön verdient. Der gleiche Zeitraum im Jahr darauf ist das semesterår, in dem man die Früchte seiner Arbeit einfährt. Das Urlaubsgesetz gilt Schwedentypisch übrigens für alle: Festangestellte, Teil- und Elternzeitler, Aushilfen oder den Geschäftsführer.
„Mit semesterår wird der Zeitraum vom 1. April eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres bezeichnet. Die entsprechende Zeit unmittelbar vor einem semesterår wird intjänandeår genannt.“
Im dritten Jahr ist der Urlaub bezahlt
In der Praxis bedeutet das: Wer seinen neuen Job beispielsweise am 1. Juni beginnt, hat zwar Anspruch auf seine 25 Urlaubstage, aber nicht auf semesterlön. Ist ja klar: man hat noch kein intjänandeår hinter sich gebracht. Man bekommt in diesem ersten Jahr also nur die Wochen bezahlt, die man auch arbeitet.
Im zweiten Jahr sieht die Sache besser aus. Wer dann noch im gleichen Unternehmen beschäftigt ist, hat wenigstens einen Teil des intjänandeår hinter sich gebracht: den Zeitraum vom 1. Juni des Vorjahres bis zum 31. März nämlich. In diesen zehn Monaten hat man sich Anspruch auf 21 bezahlte Urlaubstage erarbeitet. Die übrigen 4 sind weiterhin unbezahlt.
Im dritten Jahr hat man es endlich geschafft: Wer dann immer noch im gleichen Unternehmen beschäftigt ist, hat erstmals ein komplettes intjänandeår abgeschlossen und sich seinen vollen semesterlön verdient. Vom 1. April an hat man Zugang zu 25 bezahlten Urlaubstagen.
Manche Arbeitgeber machen es anders
Die gute Nachricht aber ist, dass sich nicht alle Arbeitgeber und Branchen an das Gesetz halten. Inbesondere, wenn Gewerkschaften im Spiel sind, werden oft andere Zeiträume für intjänandeår und semesterår vereinbart. Die am häufigsten vereinbarte Abweichung vom Gesetz besteht darin, dass das semesterår auf den Zeitraum vom 1. Januar und dem 31. Dezember gelegt wird. Eine weitere häufige Abweichung ist, dass intjänandeår und semesterår zeitlich deckungsgleich sind. Im diesem Fall muss man seinen semesterlön nicht im Voraus verdienen, sondern bekommt es schon im ersten Urlaub ausgezahlt.
Das ist sehr gut und komplett erklärt worden.
Es müßte nur von vielen Anderen gelesen werden.
Es ist auch eine Eigenheit von Schweden mit dem Vorarbeiten auf bezahlten Urlaub.
Rest-Europa ist da eher wie DL.
Vielen Dank.
Hej Harry, vielen Dank für Deinen Kommentar und das positive Feedback! Ich freue mich, wenn Dir mein Beitrag gefällt. HG Inka